Die wilde Jagd
Die durch ganz Deutschland verbreitete Sage von einern nächtlichen Geisterzug, der mit furchtbarem Getöse, besonders Jagdlärm, durch die Lüfte fährt, und aus männlichen und weiblichen Gestalten, auch Kindern, sammt Rossen und Hunden, besteht, ist uralt und hängt
mit dem deutschen Heidenthum auf's Engste zusammen, wie denn gleich der Name wuethendes Heer, süddeutsch Muotes-Heer, ursprünglich nichts anderes besagt, als Wodans-Heer.
Die Wilde Jagd erscheint zur Zeit der Wintersonnenwende, wenn die Sonne ihren tiefsten Stand im Jahreskreis erreicht - in den Rauhnächten, den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und Epiphanias, den dunkelsten und längsten Nächten des Jahres. Wenn ein steifer Wind die letzten dürren Blätter von den Baumgerippen fegt und alles Leben stillsteht, dann treibt die Wilde Jagd ihr Unwesen. Die Bauern, die sich dieser nebeligen Zeiten ins Gehöft zurückziehen, weil Regen und Schnee die Weide und den Acker unter sich begraben, berichten einvernehmlich davon, dass draußen eine Horde wilder Leute umgeht, heulend wie die Wölfe, die an den Fensterläden rappelt und manchmal auch das Hausdach abdeckt. Manche sagen gar, dass es die Toten und die Ahnen seien, die in den Rauhnächten die Dörfer heimsuchen. Wanderer, die in diesen Nächten durch die dunklen Wälder streiften, sollen in die Luft gehoben und gewaltsam mitgerissen worden sein. Soweit die Sage.
Für die Grimms war klar, dass die Wilde Jagd in ein hohes Altertum zurückreicht und in Verbindung mit den Geschichten um den Göttervater Odin steht. Tatsächlich feierten die Germanen zur Zeit der Wintersonnenwende — „Mittwinter“ — ein hehres Götterfest, das Jól-Fest, geweiht dem #Odin, wie denn ein Beiname des Gottes #Jólnir lautet. Weihnachten war der ursprüngliche Name für die zwölft geweihten Wotan-Nächte: In den Zwölften, wenn das Leben sich zurückzieht, wurden Totenkulte zu Ehren Odins zelebriert, dem Totengott, der die Seelen der Verstorbenen in seiner Himmelsburg Walhall aufnimmt. Gemäß der mythologischen Überlieferung werden die gefallenen Helden von geflügelten Walküren durch die Luft geführt und bilden in Wallhall das wilde Heer der Einherjer.
Die Vorstellung von einer Wilden Jagd, die sich auf germanische Mythen zurückführen lässt, wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts kritisiert. Rationale Erklärungsversuche brachten die Sage mit psychischen Krankheiten, psychotischen Zuständen und Halluzinationen in Verbindung, mit Erfahrungen von Epileptikern im Dämmerzustand. Andere vermuteten, dass es sich um Lügen und Gespinste handelt von Betrunkenen, die nicht mehr aus der Dorfkneipe nach Haus gefunden haben. Doch in der jungeren Vergangenheit wurde die alte These von der hohen Altertümlichkeit der Wilden Jagd - außerhalb der deutschen Germanistik erneut aufgegriffen und verifiziert, zum Beispiel 1997 vom französischen Mediävisten Philippe
Walter, der die Sage von der Wilden Jagd zurückführt auf „mythe préchrétiens (chamaniques, celtiques ou germano-scandinaves)“.
Einen bedeuten Einschnitt in die Forschungsgeschichte markiert das Werk Kultische Geheimbünde der Germanen (1934) des Germanisten Otto Höfler. Höfler deutet diese Sage nicht als Mythos, sondern als Kult. Die Grimms interpretierten die Sage von der Wilden Jagd naturmythologisch, das heißt, sie führten die Figuren und Motive der Erzählung zurück auf die physisch-evidenten Phänomene der Natur:
Heulender Wintersturm, der Holz und Hagelkörner gegen das Gehöft schlägt. Zerrissene Regenwolken und Gewitter, aus denen schwere Donner grollen und grelle Blitze zucken.
Höfler widersprach dieser Interpretation. Er wies die Vorstellung der Sage als poetische Beschreibung und ästhetische Naturallegorie zurück zu Gunsten seiner Ritualthese:
„Die Sagen vom Wilden Heer sind nicht ausschließlich Naturmythologie, sondern zu einem sehr wesentlichen Teil Spiegelungen von altertümlichen Kulten geheimnisvoller Bünde“.
Die durch ganz Deutschland verbreitete Sage von einern nächtlichen Geisterzug, der mit furchtbarem Getöse, besonders Jagdlärm, durch die Lüfte fährt, und aus männlichen und weiblichen Gestalten, auch Kindern, sammt Rossen und Hunden, besteht, ist uralt und hängt
mit dem deutschen Heidenthum auf's Engste zusammen, wie denn gleich der Name wuethendes Heer, süddeutsch Muotes-Heer, ursprünglich nichts anderes besagt, als Wodans-Heer.
Die Wilde Jagd erscheint zur Zeit der Wintersonnenwende, wenn die Sonne ihren tiefsten Stand im Jahreskreis erreicht - in den Rauhnächten, den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und Epiphanias, den dunkelsten und längsten Nächten des Jahres. Wenn ein steifer Wind die letzten dürren Blätter von den Baumgerippen fegt und alles Leben stillsteht, dann treibt die Wilde Jagd ihr Unwesen. Die Bauern, die sich dieser nebeligen Zeiten ins Gehöft zurückziehen, weil Regen und Schnee die Weide und den Acker unter sich begraben, berichten einvernehmlich davon, dass draußen eine Horde wilder Leute umgeht, heulend wie die Wölfe, die an den Fensterläden rappelt und manchmal auch das Hausdach abdeckt. Manche sagen gar, dass es die Toten und die Ahnen seien, die in den Rauhnächten die Dörfer heimsuchen. Wanderer, die in diesen Nächten durch die dunklen Wälder streiften, sollen in die Luft gehoben und gewaltsam mitgerissen worden sein. Soweit die Sage.
Für die Grimms war klar, dass die Wilde Jagd in ein hohes Altertum zurückreicht und in Verbindung mit den Geschichten um den Göttervater Odin steht. Tatsächlich feierten die Germanen zur Zeit der Wintersonnenwende — „Mittwinter“ — ein hehres Götterfest, das Jól-Fest, geweiht dem #Odin, wie denn ein Beiname des Gottes #Jólnir lautet. Weihnachten war der ursprüngliche Name für die zwölft geweihten Wotan-Nächte: In den Zwölften, wenn das Leben sich zurückzieht, wurden Totenkulte zu Ehren Odins zelebriert, dem Totengott, der die Seelen der Verstorbenen in seiner Himmelsburg Walhall aufnimmt. Gemäß der mythologischen Überlieferung werden die gefallenen Helden von geflügelten Walküren durch die Luft geführt und bilden in Wallhall das wilde Heer der Einherjer.
Die Vorstellung von einer Wilden Jagd, die sich auf germanische Mythen zurückführen lässt, wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts kritisiert. Rationale Erklärungsversuche brachten die Sage mit psychischen Krankheiten, psychotischen Zuständen und Halluzinationen in Verbindung, mit Erfahrungen von Epileptikern im Dämmerzustand. Andere vermuteten, dass es sich um Lügen und Gespinste handelt von Betrunkenen, die nicht mehr aus der Dorfkneipe nach Haus gefunden haben. Doch in der jungeren Vergangenheit wurde die alte These von der hohen Altertümlichkeit der Wilden Jagd - außerhalb der deutschen Germanistik erneut aufgegriffen und verifiziert, zum Beispiel 1997 vom französischen Mediävisten Philippe
Walter, der die Sage von der Wilden Jagd zurückführt auf „mythe préchrétiens (chamaniques, celtiques ou germano-scandinaves)“.
Einen bedeuten Einschnitt in die Forschungsgeschichte markiert das Werk Kultische Geheimbünde der Germanen (1934) des Germanisten Otto Höfler. Höfler deutet diese Sage nicht als Mythos, sondern als Kult. Die Grimms interpretierten die Sage von der Wilden Jagd naturmythologisch, das heißt, sie führten die Figuren und Motive der Erzählung zurück auf die physisch-evidenten Phänomene der Natur:
Heulender Wintersturm, der Holz und Hagelkörner gegen das Gehöft schlägt. Zerrissene Regenwolken und Gewitter, aus denen schwere Donner grollen und grelle Blitze zucken.
Höfler widersprach dieser Interpretation. Er wies die Vorstellung der Sage als poetische Beschreibung und ästhetische Naturallegorie zurück zu Gunsten seiner Ritualthese:
„Die Sagen vom Wilden Heer sind nicht ausschließlich Naturmythologie, sondern zu einem sehr wesentlichen Teil Spiegelungen von altertümlichen Kulten geheimnisvoller Bünde“.
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